Angesichts der russlandpolitischen Verstrickungen der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern fände laut einer Umfrage eine relative Mehrheit der Bundesbürger einen Rücktritt von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig richtig.
Wie die «Bild»-Zeitung unter Berufung auf die repräsentative Erhebung des Insa-Instituts berichtet, bejahten 48 Prozent der 1001 Befragten die Frage «Sollte Manuela Schwesig aufgrund ihrer Verstrickungen mit Russland als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern zurücktreten?» 27 Prozent sprachen sich dagegen aus. 25 Prozent gaben an, es nicht zu wissen oder keine Angabe machen zu wollen. Die Wähler der SPD sind demnach gespalten (43 zu 41 Prozent).
Schwesig steht seit Wochen wegen ihres lange russlandfreundlichen Agierens in der Kritik. Im Zentrum stehen dabei ihre Unterstützung für den Bau der russisch-deutschen Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2 und die Gründung der Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern, mit deren Hilfe US-Sanktionen umgangen und die Fertigstellung der Leitung unterstützt wurde. Dokumenten zufolge hatte bei der Stiftungsgründung die Nord Stream 2 AG direkt mitgewirkt.
Scholz räumt Fehler ein
Bundeskanzler Olaf Scholz räumte im Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» Fehler rund um Nord Stream 2 ein. Deutschland hätte sich bereits im Jahr 2014, als ein Konflikt in der Ostukraine und auf der Krim grassierte, stärker von russischem Gas unabhängig machen müssen. «Notfalls hätte Deutschland Flüssiggasterminals und Importinfrastrukturen für die ostdeutschen Ölraffinerien finanzieren müssen, selbst wenn sie nicht wirtschaftlich gewesen wären», sagte der Kanzler in dem Interview. Dies sei der eigentliche Fehler gewesen. Auch einen Teil der jetzt erlassenen Sanktionen hätten schon zum damaligen Zeitpunkt die Antwort sein müssen.
Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 sei den Angaben zufolge nie essenziell für die Energieversorgung des Landes gewesen. «Das Problem ist nicht, dass es zwei, drei oder vier Pipelines gibt, sondern dass alle aus Russland kommen», so Scholz. Er verteidigte sich zudem gegen den Vorwurf – das russische Ziel, die Ukraine von der Gasdurchleitung und den damit verbundenen Gebühreneinnahmen auszuschließen – indirekt unterstützt zu haben. Deutschland habe vertraglich abgesichert, dass weiter russisches Gas durch die Ukraine geliefert wird.
Sellering will Stiftung weiterführen
Entgegen dem ausdrücklichen Willen von Landtag und Landesregierung will der frühere Regierungschef Erwin Sellering (SPD) die umstrittene Stiftung weiterführen. Die geforderte Auflösung sei stiftungsrechtlich und aus Haftungsgründen nicht möglich. Die Rechtslage sei eindeutig. «Damit ist für uns als Stiftung eine Auflösung vom Tisch», betonte Sellering am Freitag in Schwerin unter Verweis auf ein vom Stiftungsvorstand bei der Bochumer Rechtswissenschaftlerin Katharina Uffmann in Auftrag gegebenes Gutachten.
Die Anfang 2021 gegründete und seither von Sellering geleitete Landes-Stiftung steht massiv in der Kritik. Sie umfasste neben dem gemeinwohlorientierten Bereich für Klimaschutz auch einen wirtschaftlichen Bereich, der dem russischen Staatskonzern Gazprom half, den Bau von Nord Stream 2 durch die Ostsee unter Umgehung von US-Sanktionen zu vollenden. Die Leitung war im Herbst 2021 fertiggestellt worden. Der wirtschaftliche Bereich befinde sich in Abwicklung, sagte Sellering. Wichtig sei aber die Fortführung der Arbeit für den Klimaschutz. Dies sei die «wichtigste Jahrhundertaufgabe», sagte Sellering.
Öffentlich gewordene Dokumente belegen, dass Vertreter der Gazprom-Tochter Nord Stream direkt Einfluss auf die Gestaltung der Stiftungssatzung nahmen. Schwesig hatte zugegeben, dass es Gespräche gab, wies jedoch Berichte zurück, wonach die Nord Stream 2 AG bei der Stiftungsgründung die Feder geführt habe. Größter Geldgeber der Stiftung war Nord Stream 2 mit 20 Millionen Euro. Wie viel davon nach einer möglichen Steuerabgabe bleibt, ist unklar. Laut Sellering läuft eine Prüfung, ob die Stiftung von der Schenkungsteuer befreit ist. Das Land selbst gab 200.000 Euro für die Stiftung. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte die Bundesregierung die Inbetriebnahme der russisch-deutschen Gasleitung gestoppt.
Grüne fordern Auflösung der Stiftung
Die Grünen-Spitze sprach sich indessen für eine sofortige Auflösung der Klimastiftung aus. «Nord Stream ist tot. Jetzt kann man die Landesstiftung auch sofort auflösen», sagte der Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour im Deutschlandfunk. Nouripour hoffe, dass dies «so schnell wie möglich passiert».
«Es ist richtig, dass gerade in Mecklenburg Vorpommern es noch einige Fragen gibt, die beantwortet werden müssen», sagte Nouripour weiter. Darunter auch die Frage, ob die umstrittene Klimastiftung auf die von der Nord Stream 2 AG gezahlten 20 Millionen Euro Schenkungssteuer entrichten muss. Ein aktueller Bericht des Magazins «Cicero» bringt nicht nur eine mögliche Steuerschuld von 10 Millionen Euro ins Gespräch, auch sollen Dokumente verloren gegangen und Vorgänge ohne Steuernummern angelegt worden sein. «Da reibt man sich die Augen und fragt sich, was das eigentlich werden soll», sagte Nouripour. Die Grünen-Spitze hoffe, dass Schwesig diese Fragen «sehr, sehr bald tatsächlich beantwortet».